Isabell Werth und Dorothee Schneider bescherten dem Rotterdamer Publikum einen wahren Dressur-Krimi. Im Grand Prix Special, der ersten Entscheidung um die Einzelmedaillen der Europameisterschaft, wuchsen beide Reiterinnen über sich hinaus. Zunächst präsentierte Dorothee Schneider mit ihrem 13-jährigen Hannoveraner Showtime eine nahezu perfekte Prüfung. Lediglich eine Macke in den Einerwechseln schlug zu Buche. Wie schon im Grand Prix zückten die sieben Richter die Höchstnote 10 für die Passage. Sechs Richter spendierten auch für Sitz und Einwirkung sowie Korrektheit der Hilfengebung das Maximum – ein Riesenlob für Dorothee Schneiders schönes Reiten. 85,456 lautete das Ergebnis, das wiederum einen neuen Rekord für das Paar bedeutete.
Isabell Werth wusste, wenn sie Gold gewinnen will, darf sie sich mit Bella Rose keinen Fehler erlauben. Das open scoring wies in der ersten Hälfte der Lektionen meist Dorothee Schneider als Führende aus, zumal die Schritt-Tour von Bella Rose arg matt ausfiel, doch ab der Galopptour punktete Isabell Werth verstärkt. Reicht’s, reicht’s nicht – die Spannung stieg. 86,520 Prozent waren letztlich eindeutig, allein sieben Mal die 10 in der Fußnote. Isabell Werth jubelte: „Die Stute ist in einer fantastischen Form, wenn es eine 12 gäbe, ich glaube, sie hätte für Piaffe und Passage die 12 bekommen.“ Gold also für Rekord-Championesse Isabell Werth, die nun zum achten Mal Einzel-Europameisterin wurde, und Silber für Dorothee Schneider, die in Rotterdam ihre erste Einzelmedaille bei einem Championat gewann. Auf dem Bronzeplatz behauptete sich die Dänin Cathrine Dufour mit ihrem 16-jährigen „Gummiball“ Atterupgaards Cassidy, dem in Dänemark gezogenen Caprimond-Donnerhall-Nachkommen. Auch bei der Vorgänger-EM 2017 in Göteborg hatte sie den Bronzerang im Special belegt.
Für Sönke Rothenberger hingegen verlief der Special alles andere als erfreulich. Er und sein niederländischer Wallach Cosmo waren nicht in Form, sowohl die Einer- als auch die Zweierwechsel misslangen, weitere Fehler kamen hinzu. „Das war sicher einer der schlechtesten Specials, die wir jemals gezeigt haben“, sagte er enttäuscht. Für ihn ist die EM beendet, seine 78,166 Prozent reichen nicht für den Einzug in die Kür, zu der nur drei Reiter pro Nation zugelassen sind. Das Kür-Ticket löste nämlich Jessica von Bredow-Werndl, die sich mit ihrer Trakehnerin Dalera zwar auch dicke Schnitzer, wie Fehler in den Einerwechseln und Angaloppieren in der Passage, erlaubte. „Ich glaube, ich habe etwas zu viel riskiert“, meinte sie nach der Prüfung. Mit 78,541 Prozent belegte sie Rang vier, verpasste somit eine Einzelmedaille, hat aber am Samstag in der Kür eine neue Chance.